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Pressemitteilung vom 07.05.2013

Datum: 07.05.2013

Kurzbeschreibung: Schwerstbehinderter muss sich nach Vollendung des 65. Lebensjahres nicht auf
„Tagesbetreuung für Senioren“ verweisen lassen, sondern darf im personalintensiven Betreuungsbereich bleiben

Nach Zustellung des mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergangenen Urteils berichtet das Sozialgericht über das Ergebnis der Sitzung der 9. Kammer vom 30. April 2013:

Der 66jährige Kläger ist aufgrund eines frühkindlichen Hirnschadens geistig und körperlich schwerst-behindert. Seine Arme und Beine sind gelähmt (sog. Tetraspastik). Seine Intelligenz ist erheblich gemindert. Weder kann er sprechen noch sich ohne fremde Hilfe mit Nahrung versorgen. Bis zum Tod seiner Mutter 1999 wurde er zuhause betreut. Da seine Leistungsfähigkeit nicht ausreichte, eine Werkstatt für Behinderte (WfB) aufzusuchen, bewilligte ihm der Landeswohlfahrtsverband als Rechts-vorgänger des Landkreises Heilbronn ab Februar 2000 Eingliederungshilfe für den auf Schwerstbehinderte ausgelegten Förder- und Betreuungsbereich (FuB) einer Behinderteneinrichtung. Der Landkreis Heilbronn beendete seine Kostenzusage für den FuB im August 2011 (wenige Tage nach dem 65. Geburtstag des Klägers). Stattdessen gewährte er Eingliederungshilfe nur noch für die „Tagesbetreuung für Senioren“ der Behinderteneinrichtung: Mit Erreichen der Altersgrenze sei er nicht mehr verpflichtet, den Kläger, soweit möglich, in das Arbeitsleben zu integrieren. Hiergegen wandte sich dessen Betreuerin mit ihrer vor dem Sozialgericht Heilbronn erhobenen Klage. Sie machte geltend, die „Tagesgruppe für Senioren“ werde überwiegend von Behinderten aufgesucht, die bis zum 65. Lebensjahr die WfB besucht hätten. Anders als hier seien jene Behinderten wesentlich leistungsfähiger und könnten ihren Tagesablauf sogar teils selber strukturieren. Daher komme dort nur ein Mitarbeiter auf 12 Behinderte, im FuB hingegen sei die Betreuungsdichte rund drei- bis vierfach so hoch.

Das Sozialgericht hat den Landkreis Heilbronn verurteilt, dem Kläger weiter Eingliederungshilfe im FuB zu gewähren: Eine Teilhabe am Arbeitsleben sei diesem nie möglich gewesen. Demnach spiele es keine Rolle, dass er zwischenzeitlich das 65. Lebensjahr vollendet habe. Die Eingliederungshilfe hätte bei ihm von Anfang darauf abgezielt, ihn am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen. Dem könne aber weiterhin nur im personalintensiven Betreuungsbereich Rechnung getragen werden.

(Az.: S 9 SO 3884/11  K. ./. Landkreis Heilbronn; Urteil vom 30. April 2013, rechtskräftig).

 

Hinweis zur Rechtslage:  

§ 53 Abs. 1 Zwölftes Sozialgesetzbuch  [SGB XII] - Sozialhilfe - :

Personen, die durch eine Behinderung (…) wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt (…) sind, erhalten Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. (…).

§ 53 Abs. 3 SGB XII: 

Besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es, (…) eine Behinderung oder deren Folgen (…) zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern (…). 

§ 136 Abs. 3 Neuntes Sozialgesetzbuch  [SGB IX] - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - :

Behinderte Menschen, die die Voraussetzungen für eine Beschäftigung in einer Werkstatt nicht erfüllen, sollen in Einrichtungen oder Gruppen betreut und gefördert werden, die der Werkstatt angegliedert sind..

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