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Pressemitteilung

Datum: 24.04.2023

Kurzbeschreibung: Rückwirkende Gewährung von Altersrente wegen Falschauskunft durch den Rentenversicherungsträger

Der 1955 geborene Kläger war zuletzt bis August 2021 versicherungspflichtig beschäftigt mit einem Brutto-Jahresverdienst von 25.715 €. Bereits im Februar 2021 informierte er sich beim zuständigen Rentenversicherungsträger über die Möglichkeiten des Bezugs einer Altersrente für langjährig Versicherte noch während seines Beschäftigungsverhältnisses. Mit maschineller Rentenauskunft vom 03.02.2021 klärte die Rentenversicherung den Kläger über verschiedene Rentenleistungen und darüber auf, dass Rente nur auf Antrag gezahlt und der früheste Rentenbeginn nur erreicht werde, wenn der Rentenantrag innerhalb von drei Kalendermonaten nach Erfüllung der Voraussetzungen für den Rentenbezug gestellt werde. Weiter enthielt die Rentenauskunft die Information, dass der Kläger nach Erreichen der Regelaltersgrenze (ab 01.09.2021) unbegrenzt hinzuverdienen dürfe und bei einem vorherigen Bezug einer Altersrente eine Hinzuverdienstgrenze von 6.300 € im Kalenderjahr gelte. Bis zu dieser Grenze könne der Kläger ohne Auswirkung auf die Rentenhöhe hinzuverdienen, darüber hinausgehender Verdienst werde auf seine Rente angerechnet.

Der Kläger beantragte bei der beklagten Rentenversicherung im Juli 2021 die Gewährung einer Altersrente für langjährig Versicherte rückwirkend zum 01.12.2020. Zur Begründung machte er geltend, die Rentenauskunft vom 03.02.2021 sei fehlerhaft gewesen. Tatsächlich habe im Jahr 2021 aufgrund der im Zuge der Corona-Pandemie eingeführten Sonderregelungen eine erhöhte Hinzuverdienstgrenze von 46.060 € gegolten. Bei korrekter Information durch die Rentenversicherung hätte der Kläger den Rentenantrag bereits im Februar 2021 gestellt und hätte somit eine Rente bereits ab Dezember 2020 beziehen können. Die Rentenversicherung bewilligte dem Kläger eine Rente erst ab Mai 2021. Eine rückwirkende Rentengewährung bereits ab Dezember 2020 lehnte sie ab, da es keine generellen Aufklärungspflichten seitens der Rentenversicherung im Hinblick auf die erhöhte Hinzuverdienstgrenze gebe. Eine Rentenauskunft sei auch nicht rechtsverbindlich. Ferner hätte sich der Kläger aufgrund der Informationen in der Presse und anderen Medien über die Erhöhung der Hinzuverdienstgrenzen für Altersrenten im Rahmen der Corona-Pandemie näher informieren und gegebenenfalls früher einen Rentenantrag stellen können. Der Widerspruch hiergegen blieb erfolglos.

Die zum Sozialgericht Heilbronn erhobene Klage mit dem Ziel der Gewährung einer Altersrente rückwirkend bereits ab Dezember 2020 hatte Erfolg. Das Gericht verurteilte die Rentenversicherung zur Gewährung einer Altersrente ab Dezember 2020. Er habe einen Anspruch auf rückwirkende Rentengewährung aufgrund des sogenannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Er habe die rechtzeitige Rentenantragstellung aufgrund einer fehlerhaften Rentenauskunft unterlassen. Rentenauskünfte dienten trotz ihrer fehlenden Rechtsverbindlichkeit gerade dazu, den Versicherten eine gesicherte Informationsgrundlage für eigenverantwortliche Dispositionen über ihre Rentenansprüche zu verschaffen und müssten bereits deshalb vollständig und inhaltlich zutreffend sein. Die generelle Möglichkeit des Klägers, sich in der Presse oder anderen Medien über die Hinzuverdienstgrenzen zu informieren, entbinde den Rentenversicherungsträger nicht von seinen Aufklärungspflichten. Die Rentenauskunft vom 03.02.2021 sei inhaltlich falsch, da zu diesem Zeitpunkt die kalenderjährliche Hinzuverdienstgrenze aufgrund der im Rahmen der Corona-Pandemie eingeführten Sonderregelungen auf 46.060 € angehoben worden sei und sich nicht mehr auf lediglich 6.300 € belaufen habe. Aufgrund der Aufklärungspflichtverletzung durch die fehlerhafte Rentenauskunft habe der Kläger eine frühere Rentenantragstellung unterlassen und sei deshalb so zu stellen, als ob er den Rentenantrag bereits im Februar 2021 gestellt hätte.

Az.: S 15 R 2386/22, Gerichtsbescheid vom 13. April 2023, nicht rechtskräftig

Hinweis zur Rechtslage: 

§ 109 Abs. 4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch  [SGB VI]:

Die Rentenauskunft hat insbesondere zu enthalten:

1. eine Übersicht über die im Versicherungskonto gespeicherten rentenrechtlichen Zeiten,

2. eine Darstellung über die Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte mit der Angabe ihres derzeitigen Wertes und dem Hinweis, dass sich die Berechnung der Entgeltpunkte aus beitragsfreien und beitragsgeminderten Zeiten nach der weiteren Versicherungsbiografie richtet,

3. Angaben über die Höhe der Rente, die auf der Grundlage des geltenden Rechts und der im Versicherungskonto gespeicherten rentenrechtlichen Zeiten ohne den Erwerb weiterer Beitragszeiten

a) bei verminderter Erwerbsfähigkeit als Rente wegen voller Erwerbsminderung,

b) bei Tod als Witwen- oder Witwerrente,

c) nach Erreichen der Regelaltersgrenze als Regelaltersrente zu zahlen wäre,

4. eine Prognose über die Höhe der zu erwartenden Regelaltersrente,

5. allgemeine Hinweise

a) zur Erfüllung der persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Rentenanspruch,

b) zum Ausgleich von Abschlägen bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Altersrente,

c) zu den Auswirkungen der Inanspruchnahme einer Teilrente,

6.Hinweise

a) zu den Auswirkungen der vorzeitigen Inanspruchnahme einer Rente wegen Alters,

b) zu den Auswirkungen eines Hinausschiebens des Rentenbeginns über die Regelaltersgrenze

 

§ 99 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch  [SGB VI]:

Eine Rente aus eigener Versicherung wird von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. 2Bei späterer Antragstellung wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird.

 

§ 13 Erstes Buch Sozialgesetzbuch  [SGB I]:

Die Leistungsträger, ihre Verbände und die sonstigen in diesem Gesetzbuch genannten öffentlich-rechtlichen Vereinigungen sind verpflichtet, im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Bevölkerung über die Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch aufzuklären.

 

Haben Sie Fragen zu dieser Pressemitteilung oder kann das Sozialgericht Heilbronn sonst noch etwas für Sie tun? Sie können sich gern an die Pressestelle des Sozialgerichts wenden:

Claudia Toberer (Pressesprecherin)

Richterin am Sozialgericht

Tel. 07131/7817-319


Antje Groß (stellvertretende Pressesprecherin)

Richterin am Sozialgericht

Tel.: 07131/7817-307 

 

Erreichen Sie keine von beiden, können Sie auch Herrn von Berg, Vizepräsident des Sozialgerichts, kontaktieren (Tel. 07131/7817-221).

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